Wer Tango tanzt, weiß wie man sich fühlt, wenn man ihn tanzt. Er ist sowohl euphorisierend, wie auch beruhigend, entspannend. Man ist voll der höchsten Aufmerksamkeit, und lässt sich doch frei fallend auf die Musik und den Partner ein. Spürt, wie die Musik durch den Körper flutet und sich dieser fast unbewusst inspirieren lässt, zu Schritten, Figuren, Pausen - Momenten der Stille. Alles im Kontakt, in stiller innerer Verbindung miteinander. Kommunikation ohne Worte, Verständnis ohne Fragen. Verbunden zu einem Eins-Sein mit der Musik.
Die Umwelt, der Alltag, die Sorgen und Probleme sind irrelevant, einfach nicht mehr vorhanden. Vielleicht ist dies ein Hauch von dem, was die Budhisten unter Nirvana verstehen.
Doch es gibt außer diesen subjektiv erlebbaren Wirkungen auch nachweisbare Auswirkungen. Beim Tangotanzen erleben wir die Wirkung von physiologichen Reaktionen. Der argentinische Tango hat Auswirkungen auf die Gefühle, die Stimmung, das ist klar. Aber, er hat auch einen nachweisbaren Einfluss auf die Ausschüttung von Stress- und Sexualhormonen. Während das Stresshormon Cortisol beim Tanzen abnimmt, nimmt das Sexualhormon Testosteron zu.
Diese positiven psychobiologischen Effekte des Tango-Tanzens beruhen sowohl auf der Musik, der Bewegung als auch dem körperlichen Kontakt mit einem Partner. Die Musik vor allem bewirkt die Reduktion des Stresshormons Cortisol, während die Ausschüttung von Testosteron auf den Kontakt und die Bewegung mit dem Partner zurückgeht. Treffen alle drei Faktoren zusammen, sind die positiven hormonellen und emotionalen Wirkungen am stärksten. Hinzu kommt, dass Bewegung an sich die Ausschüttung von Stresshormonen senkt und dass das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft einen sehr stressmindernden Effekt haben.
All dieses und die Nähe im Paar, der Gleichklang der Bewegungen, können zu dem Gefühl führen, was eine liebe Freundin von mir mit den wundervollen Worten zusammen fasste: "Es sind Augenblicke der Glückseligkeit".
Auch wenn diese positiven Wirkungen des Tanzes vermuten lassen, man könne damit eine Art Paartherapie machen, so ist doch Vorsicht geboten. Natürlich lässt sich beim Tanzen so mancher Beziehungskonflikt "diskutieren", denn der Kontakt und die Kommunikation (nonverbal) ist sehr intensiv. Aber, in der Welt des Tangos haben auch manche als Paar begonnen um dann als Singles oder in einer neuen Partnerschaft weiter zu tanzen (und auch zu leben). Die Wirkung auf die Hormone, die intensive Nähe, der Kontakt und die oft nicht nur symbolisch erotischen Bewegungen, können leicht missinterpretiert werden.
Der Tango ist ein Tanz, bei dem die Liebe, die Leidenschaft nur geliehen sind. Für 3 Minuten. Und das für 3-4 Musikstücke. Das Aufgehen des Paares in der Musik - aus einem "Ich und Du" wird ein "Wir", das mit der Musik "verschmilzt". Dieses Verschmelzen ist das, was für mich den Tango ausmacht.
Und jeder Tangotänzer kennt die Sehnsucht, die nach dem Tanz entsteht. Auf was auch immer für Hormone diese beruht, sie ist es, was den Tango so schmerzlich macht, aber sie ist es auch, die einen süchtig macht auf den nächsten Tango.
Kommentare
Wie wahr, wie wahr
Ja, der Tango macht süchtig.
Dort kann ich abschalten und einfach nur tanzen.
Interessant, was da an Hormonen hintersteckt. Habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht.
Da ich eher "aufm Dorf" lebe, komme ich leider nicht so oft dazu Tango zu tanzen, wie ich es gerne möchte. Aber ich nehme gerne die Reise auf mich, um zu tanzen.
Liebe Grüße
Steffi
Tango Arg. mit Partner?
Ja, und weil Tango so eine spezielle Nähe hervorruft, mag ich ihn nur mit mir nahestehenden Leuten tanzen und nicht mit Leuten, die ich willkürlich bei einer Veranstaltung treffe, wie es so üblich ist und erwartet wird. Auch wenn ich mich mit diesen Leute gut unterhalten kann, da man gleiche Interessen hat. Es ist eh erstaunlich, sobald man davon spricht, wieviele Leute man findet, die auch Tango Arg. tanzen.
Tangounterricht
Ein toller Text. Danke